Kickl mit Ansage – Antifaschismus braucht Konsequenzen

 

Armin Wolf twitterte am 27.Jänner 2019: „Jetzt diskutieren wir in Österreich also ernsthaft, ob in diesem Land die Menschenrechtskonvention gelten soll. Ich hätte das nicht für möglich gehalten.“
Wir schon. Wer der FPÖ in der Vergangenheit richtig zugehört hat, für den ist das Auftreten von Kickl nichts Überraschendes.

„Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“ (Hofer, Bundespräsidentschaftswahl 2016).

„Knüppel aus dem Sack für alle Asylbetrüger, Verbrecher, illegalen Ausländer, kriminellen Islamisten und linken Schreier.“ (Gudenus 2013)

Nein, es darf nicht verwundern, wie die FPÖ ihre Macht in der Regierung nutzt, denn es kommt mit Ansage. Auch der Angriff auf die Menschenrechte ist schon länger Programm bei der FPÖ, wie „stoppt die rechten“ recherchiert hat.

Doch warum bleiben solche Aussagen ohne Konsequenzen?

Es ist der vorherrschende Umgang sämtlicher politischer Akteure, welcher der FPÖ einen Freibrief für ihr Handeln ermöglicht hat:

  • Das hinter Kurz versammelte bürgerliche Lager inklusive eines Großteils der Medienlandschaft wollte den „Stillstand“ unter Rotschwarz im Sinne der Kapitalinteressen überwinden. Dies ging nur mit der FPÖ und einer weiteren Normalisierung dieser.
  • Die SPÖ wollte ihre staatstragende Rolle und Machtposition in der Regierung nicht aufgeben und hat dafür unter Kern den 20jährigen Konsens „Nicht mit der FPÖ“ geopfert. Mag es aus taktischen Überlegungen gewesen sein, es hat dazu geführt, dass innerhalb der Gewerkschaften Widerstand gegen Rassismus und Faschismus verstummte. Dies war wohl die fatalste Entwicklung, da es den Widerstand gegen die Regierung auf vereinzelte Akteur_innen und kleine Bündnisse reduziert hat. Zum Vergleich: an der ersten Großdemonstration im Jahr 2000 gegen Schwarzblau, beteiligten sich 50.000 Gewerschafter_innen, inklusive SPÖ-Spitze.
  • Das Scheitern der Grünen – trotz gewonnenem Bundespräsidentschaftswahlkampf – hat gezeigt, dass staatliche und europäische Institutionen keine Lösung auf den Aufstieg der Rechten bieten. Während der liberale Antifaschismus mit dem „europäischen Gedanken“ gegen die Rechte ins Feld gezogen ist, haben die real existierenden EU-Institutionen mit ihrer Politik der Konkurrenz nach innen, des Machtstrebens nach außen und der Migrationsbekämpfung den idealen Boden für den Aufstieg der Rechten bereitet. Heute präsentieren sich die FPÖ und ihre Gleichgesinnten quer durch die EU als konsequenteste Kräfte des vermeintlich aufgeklärten Europa gegen die äußeren und inneren Gefahren von Islam und Migration.
  • Die ökonomistische Lesart (Partei der Reichen) der FPÖ innerhalb der klassenorientierten Linken hat ihr übriges dazugetan. Zu glauben, man könne die FPÖ einzig über die Thematisierung der „sozialen Frage“ schwächen, hat sich als Sackgasse erwiesen und antifaschistische Strukturen politisch geschwächt.

Alle verbindet eine systematische Unterschätzung und Verharmlosung der politischen Gefahren, die von der FPÖ ausgehen. Sehen wir den Tatsachen in die Augen: Natürlich ist das geltende Recht ein Produkt der Politik – aber Kickls Aussage zum Verhältnis von Politik und Recht muss vor dem ideologischen Hintergrund bewertet werden, der die FPÖ-Politik bestimmt. Es ist die gefährliche Mischung aus Ideen der neuen Rechten und Anbindung an Ideen des historischen Faschismus. Weil dies nicht erkannt und benannt wird, weder von den traditionellen Parteien, noch von einem Großteil der außerparlamentarischen Linken, bleibt es bei einer Skandalisierung von Einzelfällen ohne Konsequenzen. Die blauen Parteistrategen können sich ins Fäustchen lachen.

Genauso falsch wäre es, angesichts der Dominanz oben genannter Positionen in Fatalismus zu verfallen. Denn es gibt eine große Diskrepanz zwischenden führenden Akteur_innen in der politischen Arena und einem weiterhin gelebten Antifaschismus, der regelmäßig in Erscheinungtritt. Ein paar Beispiele:

  • Die Rede Köhlmeiers wurde zu einem der meistgesehenen Videos im letzten Jahr, weil er nicht vor dem Vergleich zum historischen Faschismus zurückschreckte.
  • Der Falter konnte vor allem dank der antifaschistischen Recherchearbeit die eigene Auflage um 30% erhöhen.
  • Die Initiative „Omas gegen Rechts“ hat innerhalb kürzester Zeit tausende Mitstreiter_innen gewinnen können und wurde zu einem Highlight der Demonstrationen gegen Schwarzblau.
  • Wenige haben mit der großen Beteiligung an den Donnerstagsdemos und an deren langen Atem geglaubt. Ganz zu schweigen von der Ausbreitung in fast alle Bundesländer. Das Erfolgsrezept ist das Aufgreifen all jener politischen Fragen, die sonst niemand im Stande ist anzusprechen.

Diese Ereignisse finden derzeit keinen Ausdruck in einer politischen Beständigkeit. Weder im Parlament noch in Form eines außerparlamentarischen Bündnisses. Dadurch bleibt ein Gefühl der Vereinzelung und Ohnmacht für Viele bestehen.

Eine politische Kraft, die die Ernsthaftigkeit der Themen Antifaschismus und Antirassismus erkennt und in eine Praxis übersetzt, hat die Chance, die politische Landschaft nachhaltig zu verändern. Doch dafür muss sektiererische Bündnispolitik überwunden und alle antifaschistischen und demokratischen Kräfte an einen Tisch gebracht werden.

Der mittlerweile 6. gescheiterte Misstrauensantrag gegen Kickl verdeutlicht, wie zahnlos die parlamentarischen Mittel der Opposition sind, um gegen die Angriffe der FPÖ vorzugehen. Hier ist der Ansatzpunkt für eine antifaschistische Linke ein offenes Angebot zu stellen, um die Auseinandersetzung gegen Faschismus auf die Straße zu tragen. Dies geht aber nur mit einer Bündnispolitik auf Augenhöhe und ohne weltpolitische Erklärungen als Bedingung aufzustellen. Das Verbindende muss die bestehende faschistische Gefahr sein: Die Abwehr der Angriffe auf demokratische Grundrechte, Frauen und LGBT-Personen, Muslim_innen, Flüchtlinge und gegen die zunehmende Militarisierung von Polizei und Sicherheitsbehörden.

Denn mittlerweile ist klar geworden, dass die FPÖ nicht bei Worten stehen bleibt – aber noch gibt es die Möglichkeit, sie in die Schranken zu weisen.

Schreibe einen Kommentar